Die Hamsterräder stehen still. Corona hat die Kontinuität des Arbeitsalltags durchbrochen. Einige Hamster haben ihr Glück in ungehemmter Vorratshaltung der noch zugänglichen Güter gesucht. Klopapier und Nudeln, die Nervennahrung für die Apokalypse. Politiker aller Länder ordnen an, erteilen Beschränkungen, Schließungen, Verbote. Das soziale Leben wird auf ein Minimum reduziert und dennoch steigen die Fallzahlen stetig an, sterben täglich weiter Menschen an Corona. Ein globaler Wettstreit hat begonnen, ein Wettrechnen um die beste Quote von Infizierten und Todesfällen. Die bewährte Kriegsrhetorik wird aus der Mottenkiste geholt, um die Bevölkerung zu einen. Sie einzuschwören auf die extremen Maßnahmen, die ergriffen werden.

Dabei ächzen unter dem Virus vor allem die Gesundheitssysteme, die mittlerweile gewinnorientierten Schraubwerkstätten. Der Körper als zerlegbarer Setzbaukasten, bei dem Organe, Gelenke und Körperflüssigkeiten ausgetauscht werden können. Der Virus widersetzt sich dieser separatistisch mechanischen Logik. Er lebt vor allem zwischenmenschlich. Er nutzt Menschen als Träger- und Überträgermasse, lebt von Kontakt.

Welchem Land gelingt es aus der Zwangspause am besten heraus zu treten, geradezu aufzuerstehen? Wie viele Finanzspritzen sind wohl nötig, um das schockeingeschläferte scheue Finanztier, den DAX aus seinem Bau hervor zu locken? Während der populistische Medienkrieg gegen den unsichtbaren und scheinbar allgegenwärtigen Feind tobt und der Wert von Menschenleben kapitalwirtschaftlich neu ausgehandelt wird, bleibt den meisten von uns vor allem eines: Zeit. Zeit ist das neue Geld. Wie bei jedem unverhofften Zugewinn, stellt sich natürlich die Frage: Wohin mit dem plötzlichen Segen? Sicher kann man den Müßiggang auch vor Youtube, Netflix und co. einfach aussitzen. Sich selbst ein bisschen ziellose Zeitverschwendung gönnen. Was geht sonst noch? Die Wohnung aufräumen? Den Garten bepflanzen? Ein Onlineseminar besuchen? Die Kochkünste verfeinern und damit dem temporären Mangel in den Lebensmittelgeschäften erfindungsreich begegnen? Jetzt wo die Kinder zu Hause sind, warum nicht einen eigenen Lehrplan mit ihnen erarbeiten? Jeder hat Projekte und Ideen, die bisher durch den schnöden Alltagstrott zu kurz kamen. Darunter können sich auch wahre Herzensangelegenheiten verstecken, die nie angepackt wurden, da sie kein finanzielles Wachstum versprachen oder einfach zu viel Aufmerksamkeit und Zeit erfordert hätten. Ein oder zweimal tief Luft holen, sich sammeln, durchatmen und einfach loslegen. Das offene Zeitfenster mit Kreativität und Tatkraft füllen.

Während wir teilweise allein im stillen Kämmerlein, werkeln, pflanzen, schreiben oder basteln, tauchen vielleicht auch grundlegende Fragen auf wie: Wer ist mir wirklich wichtig? Womit sollte ich meine Lebenszeit verbringen? Für wen nehme ich die Einschränkungen auf mich? Dann lässt sich der Verzicht auf die sonst so selbstverständlichen Konsum- und Zerstreuungsangebote noch leichter umsetzen.

Jeder kennt mindestens einen Menschen, der entweder zur Risikogruppe gehört oder zu den tapferen Streitern, die beispielsweise in Krankenhäusern und Supermärkten für die Aufrechterhaltung unserer aller Lebensqualität schuften. Egal ob es nun die über 80 jährige Oma, der ortsbekannte Paketfahrer, der krebskranke Nachbar oder die befreundete Krankenpflegerin ist, die wir im Sinn haben, wenn uns zu Hause die Decke auf den Kopf zu fallen droht. Die Gewissheit für deren körperliches und seelisches Wohlbefinden den Hausarrest auf sich zu nehmen, macht es deutlich erträglicher.

Zu wissen, dass Deutschland wahrscheinlich die Klimaziele 2020 durch den Stillstand, also bloßes Nichtstun und ganz nebenbei erreichen wird, entlockt einem mitunter sogar ein Lächeln.

Wir wünschen euch Gesundheit, Gelassenheit und viele gute, kurzweilige Stunden für die Zeit in der Ausgangssperre!

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