Letztens las ich, dass der reichste Mann der Welt plant, Menschen zum Mond zu schießen. Der Mond als touristischer Sehnsuchtsort, da bleibt einem glatt die Luft weg. Gewiss ist die Mondfahrt ein einmaliges Erlebnis mit den wohl weitwinkeligsten Panoramen, den extremsten Temperaturunterschieden und jeder Menge Sternenstaub. Schon Kinderbücher thematisieren diesen verwegenen Traum. In Peterchens Mondfahrt begeben sich zwei Kinder auf eine Rettungsmission, um das Beinchen von Herrn Sumsemann, einem Maikäfer zurückzuholen. Aber was hat ein Mann, der schon alles hat, auf dem Mond verloren? Woher kommt dieses Bedürfnis, sich von der lebendigen, diversen Planetenoberfläche soweit zu distanzieren, dass sie als Ganzheit, als im All schwebender blauer Ball sichtbar wird? Ist das für Manche vielleicht die einzige Möglichkeit unsere Erde ganz zu erfassen?

Die Raumfahrt ist die wohl größte Weltflucht. Weniger extrem ist der Wunsch nach einem Fleckchen Erde, einem Ort in der Natur an dem all die Alltagsverpflichtungen, all die eingefahrenen und vielleicht auch ungesunden Handlungsroutinen durchbrochen werden können. Rein zufällig, bedingt durch die unergründliche Kausalität des Youtube-Algorhythmus wurde mir ein Video von einem Aussteiger in den USA angezeigt. Der Titel klang vielversprechend: „Living in a Ghost Town“. Ein Halloween-Spektakel? Eher nicht. Ein junger Mann hat sich seinen Lebenstraum erfüllt, indem er eine verlassene Bergbausiedlung und über 300 Hektar Land gekauft hat. Cerro Gordo, der klangvolle Name des Örtchen beinhaltet rund 20 alte, teilweise baufällige Häuser mitten im Nirgendwo, 200 Milen nördlich von Los Angelas. Unscheinbar in den Bergen liegt sie, die Ansammlung alter Holz- und Wellblechhütten. Auch die Infrastruktur ist nur mäßig vorhanden, die einzige richtige Straße zum Ort ist unbefestigt und ohne Allrad schwer passierbar, es gibt zwar Strom, aber kein fließendes Wasser und der nächste Lebensmittelladen und damit die nächste nennenswerte Siedlung ist rund 25 Meilen entfernt. Warum sollte man sich so einen abgelegenen Platz mit größtenteils baufälligen Gebäuden für stolze 1,4 Millionen Dollar kaufen wollen?

Die Landschaft ist definitiv atemberaubend schön und das nicht nur wegen der Höhenlage. Schillernde, farbenfrohe Sonnenauf- und Untergänge, ein Gefühl unermesslicher Weite und natürlich die Stille und Abgeschiedenheit sind Aspekte, die gerade Naturversessene begeistern können. Klettert man auf den Gebirgskamm, kann man auf der einen Seite zum höchsten Berg der USA (Festland ohne Alaska) Mount Whitney blicken, auf der anderen Seite, weit unten im Death Valley befindet sich der tiefste Punkt der USA. So polarisierend wie die Lage ist auch die Geschichte des Örtchens. Es liegt eine gewisse Trostlosigkeit auf dem Ort, der wegen wirtschaftlicher Interessen, dem Silber und Zink der Mine in der Vergangenheit vor allem die finstersten Eigenschaften des Menschen, nämlich Gier und Mordlust hervorgeholt hat. Der Landstrich ist eine Wunde, ein Mahnmal wie schnell es gehen kann, dass ein artenreicher und belebter Ort sich in eine staubige, verfallene Geisterstadt verwandelt. Nachdem die Rohstoffe erschöpft und der süßwasserreiche Fluß und See nach Los Angelas ab- und umgeleitet wurden, verlor das Örtchen Trinkwasser, Einwohner und Bedeutung. Welche Vision lässt sich in so einem ausgebrannten Stückchen Erde finden? Der neue Eigentümer plant ein Hotel und ein Museum mit allerlei Fundstücken, Flaschen, Werkzeugen und Kleidungsfetzen aus der Blütezeit der Minenstadt.  Touristen, die auf Zeitreise gehen können, um die extremen Bedingungen und Handlungen der Vergangenheit ebenso wie die halbverfallenen Minenschächte zu ergründen. Zurück in eine Zeit, in der 1 Mensch pro Tag in Cerro Gordo durch räuberische Auseinandersetzungen ums Leben kam und gigantische Mengen an Silber aus dem Berg hervorgeholt wurden. Damals, Ende des 19. Jahrhunderts als der nahegelegene Ort Keeler noch 5000 Menschen beherbergte. Alle waren angezogen von der Goldgräberstimmung, von der Hoffnung schnell Geld zu machen.

Ganz gegensätzlich ist die Stimmung im Jahr 2020. Gerade mal 1 Mensch, 4 Ziegen und 7 Katzen leben in der alten Siedlung oben in den Inyo Mountains. Die gegenwärtige Schatzsuche nach kuriosen Fundstücken und erinnerungswürdigen Resten in all den verfallenen Minenschächten wirkt wie ein erster Schritt. Eine Spurensuche, der Versuch die Natur an sich, die rauhe und wilde Pracht der Berghänge und das Lichtspiel des Himmels wieder in den Fokus zu rücken. Die Elemente, die Stille, die Perspektiven des Ortes, aber auch die Einfachheit, die Abgeschnittenheit vom pulsierenden Konsumleben wirken wie ein Anachronismus. Wie eine natürliche Zeitkapsel, die alle Gäste des Ortes auffordert, von der Käuflichkeit, vom Überfluss der Dinge, vom Wohlstandsgedöns loszulassen. Kein Netflix, kein Lieferservice, noch nicht einmal Wasser. Trotzdem ist das Nightlife der Gegend nicht weniger schillernd. Wird es doch von glitzernden Sternenformationen und allerlei Wildtieren bestimmt.

Die Sehnsucht nach dieser unverstellten, nicht überbeleuchteten Naturnähe ist es, die auch beim Camping gesucht wird. Auch im Campingurlaub ist Erfindungsreichtum gefragt, um mit Wenigem auszukommen. Die Dinge beschäftigen einen nicht, sondern man beschäftigt sich mit den Dingen. So sucht man nach pragmatischen Lösungen, nach Multifunktionalität, nach Vereinfachung, die mit den gegebenen Mitteln möglich ist. Durch diese mediale und materielle Reduzierung wird auch der Geist befreit, geradezu entrümpelt vom schieren Überfluss an Konsumarten und Konsumgütern. Eine andere Fülle, die der artenreichen Natur wird vordergründig. Kann dieser lebendige Minimalismus, der beim Camping zentral ist, der zukünftige Wohlstandsgenuss werden? Kann die Betrachtung des in der Herbstsonne klimpernden Laubes einen neuen Goldrausch auslösen? Für uns ist der Campingplatz mit all seiner Planzen- und Tierwelt der größte Schatz und wir laden euch dazu ein, die Schönheit und den Reichtums unserer heimischen Natur wieder zu entdecken.