„Übers schneebedeckte Feld wandern wir, wandern wir durch die weite weiße Welt“, erklingt es in einem Kinderlied. Derzeitig zählt bleibender Schnee mit klimawandlerischer Sicherheit zu den seltenen, exotischen Ereignissen des Winters und darf daher zurecht besungen oder zumindest beklatscht werden. Hat sich doch der graue Granithimmel zur allgegenwärtigen Geduldsprobe gemausert. Noch nie wogen Wolken so schwer und drückten so fühlbar aufs Gemüt. Gleichmütig pendelte die Temperatur die letzten Wochen über zwischen 0 und -5 Grad und ließ erst nach Sonnenuntergang verschämte Blicke in die Sternenferne zu.
Die Welt ergraut alljährlich im Winter, das Laub wird abgeworfen, das Gras vegetiert sich zu Ockertönen hin. Lautmalerisch wird diese Tristesse treffend von der allumfassenden Stille begleitet. So erwartet der oft einsame Landwanderer, wenn er über die Feld- und Waldwege schlendert zwar tierische Lebenszeichen, diese zeigen sich ihm jedoch oft nur als Relikte vergangener Streifzüge und manifestieren sich in Fellbüscheln, Federn oder mannigfaltigen Pfotenspuren im weißbraunen Bodenmatsch.
Alle Wege führen zur Blühwiese, lässt sich bei der Begutachtung der tiefschürfenden Trampelpfade des Dammwilds attestieren. So sind die abschüssigen und abwegigen Routen über den Campingpark im Winter noch hervorstechender. Die Tierwelt erobert sich den menschenleeren Raum zurück. Amseln huschen durchs karge Geäst der Sträucher, der Reiher positioniert sich am Ufer des Platzes und hofft auf einen guten Fang. Eichhörnchen und Eichelhäher hopsen in den blattlosen Baumkronen umher, während der Buntspecht unverdrossen auf einen morschen Rindenfleck einhämmert. Betritt der Mensch die Szenerie, ziehen sich die tierischen Gefährten zurück.
Und doch gibt es sonderbare Tage, Tage an denen die festen, dicken Eisschichten des Wurlsees klangspielerisch in die Intonierung des Winters eingreifen. Unverhoffte Tage an denen einem ein rauschend, säuselnd, klirrender Klangteppich ans Ohr brandet. Tage an denen ein unbekanntes monotones Beben, ein anschwellendes Rumoren letztlich ein fellnasiges Gesicht bekommt, so dass sich schnell ein freudiges Aha- und Oh-Erlebnis einstellt, wenn das ‚dreckige Dutzend‘ Dammwild mit seinen braun-weißen Rümpfen und flauschigen Ohren ungestüm 10 Meter vor einem über den Platz prescht und die ausgetretenen Pfade mit Leben erfüllt.
Tage an denen die Sonne nicht unterzugehen scheint und die blaue Stunde sich mit ihrem facettenreichen Farbspiel an Orange-, Blau-, und Grautönen unvergleichlich in den Abendhimmel malt. Tage an denen die weiße, weite Welt Wirklichkeit wird, der großzügig eingeseifte Boden sich vor einem ausbreitet und die ganze Diversität des Wildtierlebens auf großem wie kleinem Fuß sich ausdrückt. Tage an denen man nicht Schritthalten kann mit der wundersamen Fülle der Natur. Da sich das Knacken und Knirschen des tauenden Wurlseeeises mit den trompetenden Kranichen am Himmel kreuzt, da sich neben raureifig glitzernden Ästen und Gräsern grellgelbe Krokusse aus dem Boden sprengen. Klimawandlerische Wendepunkte gewissermaßen, die eine ungeahnte Gleichzeitigkeit der Naturerlebnisse hervortreten lassen und die Vorfreude auf die Extravaganz des Frühlings schüren.
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